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Ungefiltert! Wie erleben Kleinstkinder die aktuelle Situation?

Ich habe vor kurzem gelernt, dass das menschliche Gehirn unterschiedlich schwingt. In welchen Bereichen es schwingt, hängt unter anderem damit zusammen, was wir tun; ob wir wach sind, ob wir gestresst oder ängstlich sind, ob wir meditieren, dösen oder tief schlafen. Wie das Gehirn schwingt hängt allerdings auch mit unserem Alter zusammen. Während das Gehirn von uns Erwachsenen, wenn wir wach sind, im Beta-Wellen-Spektrum schwingt, schwingt das Gehirn von Babys und Kindern unter drei Jahren immer im Delta-Wellen-Bereich. Das ist der Bereich, den wir Erwachsene nur noch im Tiefschlaf oder in einer Trance erleben. Das heißt, das Gehirn Deines Kindes in diesem Alter verhält sich die ganze Zeit, wirklich IMMER so, wie Dein Gehirn, wenn Du im Tiefschlaf bist.

Das Unterbewusstsein regiert

© Verena Münch/pixelio.de
© Verena Münch/pixelio.de

Was bedeutet das für die Wahrnehmung dieser jungen Menschen?

Im Tiefschlaf verarbeiten wir all das, was wir im Laufe des Tages wahrgenommen haben. Und das ist viel mehr, als die Dinge, an die Du Dich erinnerst. Dein Unterbewusstsein nimmt rund um die Uhr, zu jeder Sekunde ALLES wahr. Die Temperatur um Dich herum, Lichtverhältnisse, Düfte, Geräusche, Farben, Gegenstände, Stimmungen und vieles mehr. Dein Bewusstsein filtert all dies, so dass Du Dich nur an einen kleinen Teil von all dem, was Du wahrnimmst, erinnern kannst.

Wenn Du Dir das Bild links anschaust, symbolisiert der rote Punkt, was Dein Bewusstsein von dem Gesamtbild in einer Sekunde wahrnimmt.

© Verena Münch/pixelio.de
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Auf dem rechten Bild siehst Du, was ein Kind unter 3 Jahren zur selben Zeit bewusst wahrnimmt - innerhalb einer einzigen Sekunde.

Lass das ruhig einen Moment auf Dich wirken.

 

 

Ist es nicht unglaublich, dass das Wesen Kind all dies aufnehmen und irgendwie verarbeiten kann?

Eine wichtige Rolle spielt dabei gewiss, dass so junge Kinder noch kein Ich-Bewusstsein haben. Sie wissen noch nicht, was DU und ICH bedeutet. Für Dein Kind ist es völlig unbegreiflich, dass Du etwas anderes empfindest, als Dein Kind.

Kleinstkinder sind wahrlich noch Eins mit der Welt.

"Ich fühle, was Du fühlst."

Es heißt nicht umsonst, dass Kinder unser Spiegel sind. Sie nehmen nicht nur alles Greifbare und Sichtbare wahr, sondern auch Gefühle, Schwingungen und Energien.

Lioba macht mir dies im Moment jeden Tag aufs Neue deutlich. Sie ist jetzt 22 Monate alt und war schon immer unglaublich mitfühlend. Mitunter habe ich den Eindruck, dass sie sehr wohl schon sortieren kann, was jemand anderes empfindet. Wenn einer ihrer größeren Cousins traurig oder wütend ist, kann sie dies artikulieren. Sie zeigt sich betroffen und möchte trösten. Ich kann nicht in sie hinein schauen. Möglicherweise ist sie irritiert, weil sie zur selben Zeit fröhlich spielt und nicht versteht, warum der Cousin sich auf einmal ganz anders verhält. Vielleicht liegt darin ihr Antrieb zum Trösten, damit auch der Ältere wieder fröhlich ist und dies im Einklang mit ihren Gefühlen steht.

Und dann erleben wir Situationen, in denen sie diese Gefühle eindeutig nicht auseinander halten kann. So beobachtete ich erst vor einigen Tagen, als sie ihrem Papa im ausgelassenen Spiel derart heftig am Bart zog, dass dieser mit einem schmerzvollen Ausruf reagierte, sich das Kinn hielt und Lioba erst einmal von sich weg setzte. Obwohl er keine Wut zeigte, fing Lioba sofort an zu weinen und zu jammern - und zwar in einer Art und Weise, als empfinde sie den Schmerz selbst. Vielleicht tat sie das sogar, wahrlich MITfühlend. Am Ende hatte der Papa sein Kind zu trösten, dass sich kaum beruhigen konnte, und an ihrem Kind ein "Heile Segen" zu sprechen.

Zu anderen Zeiten kann sie auch das auseinander halten. Wenn sie mich beim Stillen versehentlich beißt, weint sie nicht immer, schaut viel mehr verzeihend drein, streichelt meine Brust und spricht rasch selbst ein "Heile Segen".

Wie weit reicht angst?

Wie nehmen diese kleinen Wesen, die ALLES aufnehmen, jetzt im Moment ihre Welt und ihre Umgebung wahr?

Wir leben relativ abgeschieden auf dem dörflichen Land. All die Panik in den Städten, die Hamsterkäufe, leere Regale, lange Schlangen, (sogar Menschen, die sich um Klopapier prügeln) bekam meine Tochter nicht mit. Ihre großen Cousins sind jetzt zuhause und wir gehen nicht zum Kinderturnen. Das sind die einzigen Veränderungen in ihrer kleinen Welt - dachte ich.

Spürbar auf allen Ebenen

"Powershake!"
"Powershake!"

Selbst ich habe all das nicht live gesehen, denn die Einkäufe wurden in den letzten Tagen von anderen erledigt. Wir Erwachsenen unterhalten uns natürlich über die Situation. Und auch, wenn wir nicht gleich in Panik geraten, ist in jedem von uns eine gewisse Sorge und Unruhe vorhanden. Während bei meiner Schwägerin, einer fahrende Händlerin, die Haupt-Einnahmequelle weg bricht, habe ich umso mehr zu tun, weil viele Anfragen besorgter Eltern bei mir ankommen.

 

Lioba spürt all das. In den letzten beiden Tagen fieberte sie zu den Schlafenszeiten, ohne weitere Krankheitssymptome. Sobald er zur Ruhe kam, verarbeitete dieser kleine Körper, was von diesem weltweiten Konflikt bei ihm ankam. Da Lioba seit ihrer Geburt (oder auch schon vorher) ebenfalls mitbekommt, wie wir Erwachsenen in solchen Situationen reagieren, und instinktiv weiß, was ihr Körper braucht, verlangte sie nach den Lebensmitteln, die ihre Gesundheit unterstützen, und war während ihrer Wach-Zeiten fit, fröhlich, ausgeglichen und aktiv.

Der Spielplatz ist geschlossen!

Da Sonne und frische Luft ebenfalls den Körper stärken sind wir gerade bei diesem wundervoll mildem Wetter viel draußen. Gestern ging Lioba auf ihren Wunsch mit Papa und ihrem Onkel Mathias zum nahen Spielplatz. Stunden später kamen sie mit der Nachricht zurück: "Der Spielplatz ist jetzt auch schon gesperrt." Lioba hat das nicht erlebt. Wo sie schon einmal da waren, konnte Denis ihr den Spielplatz nicht verweigern und so spielten sie wie üblich, schaukelten, rutschten, balancierten. Doch unsere Gespräche am Abend bekam sie doch mit. Und in der Nacht verarbeitete sie, was sie alles aufgenommen hatte.

Quengeleien am Morgen

Heute Morgen erwachte Lioba überaus quengelig. "Aufsteh'n", jammerte sie schon, den Tränen nahe, noch bevor ich die Augen auf hatte. Und als ich erwiderte, ich wolle erst mal wach werden, machte sie einem jaulenden Schlosshund alle Ehre. Sie jammerte, quengelte, schluchzte - und was immer sie sagte, war nicht zu verstehen.

Ich war noch gar nicht wach und im ersten Moment einfach nur verärgert, dass unser Morgen so beginnen sollte. Meinen Unmut äußerte ich durchaus, was die Situation keineswegs verbesserte. Absolut NICHTS war mehr passend. Kuscheln, lieben, aufstehen, nuckeln - ganz egal, das Jaulen wurde nur noch lauter.

 

Was sollte ich tun?

Sollte ich mein Kind von mir schieben, ebenso ruhig oder bestimmt erklären, dass sie gern quengelig sein könne, ich aber am Morgen lieber ein fröhliches Kind mag? Der Gedanke kam mir. Und vor wenigen Wochen hätte ich ihn noch ausgesprochen. Statt dessen hielt ich inne.

 

Kann ich meinem Kind SAGEN, dass Quengelei in Ordnung ist und es zugleich von mir schieben, mit meinem ganzen Verhalten zeigen, dass es NICHT gewünscht ist? Ist das ehrlich? Was kommt bei meinem kleinen Mädchen an? "Zu mir brauchst du nur kommen, wenn du fröhlich bist." Will ich das vermitteln? "Ich habe dich nur lieb, wenn du freundlich ist." Ohne es ausgesprochen zu haben.

 

Es ist mir gelungen, durch zu atmen, auszuhalten. Und irgendwann habe ich in dem Gejaule verstanden, worum es ging. "Pielplatz gehen. Thias. Pielplatz gehen", jammerte meine Maus. Eindeutig war im Schlaf bei ihr angekommen, was sie am Vortag alles aufgenommen hatte. All die Energien von Angst und Sorge wollten raus. Und es reichte nicht, dass ich nun verstand, worum es ging. Damit war Lioba noch nicht geholfen. Sie brauchte einfach Zeit und Raum. Zwei Stunden vergingen, in denen sie wegen jeder Kleinigkeit in Tränen ausbrach und anfing zu quengeln. Dann gelang es ihr endlich wieder unbeschwert zu lachen, wie sie sonst morgens aufsteht.

 

Ich bin nicht sicher, ob es damit schon vorbei ist. Möglicherweise haben wir den ganzen Tag immer wieder solche Phasen - und auch noch den nächsten.

Kinder in den Städten

Wenn mein Kind auf dem Land, fern der Panik-Herde, all dies schon auf diese Weise verarbeitet, was erleben dann Babys und Kleinkinder in den Städten, wo die Menschen viel gedrängter und ängstlicher aufeinander hocken? Was bringt es dort, wenn die Eltern einigermaßen gelassen sind, wenn die Angst der Nachbarn durch die Wände sickert? Und wie lange kann eine Mutter dort gelassen bleiben, wenn ihr Baby plötzlich anfängt zu fiebern?

Natürlich hat es mit Corona zu tun!

Doch es muss nicht der Virus sein. Insbesondere wenn keine anderen Symptome auftreten, kann es sein, dass dieser winzige Körper all die Angst um sich herum verarbeitet. Und wenn Kinder im Moment unleidlich, quengelig, anhänglich und weinerlich sind, dann ist das nicht unbedingt ein Signal, dass sie krank werden, sondern auch dies gehört zu dem Prozess ihre Wahrnehmung zu verarbeiten.

 

Wie werden Eltern in den Städten damit umgehen? Eltern, die gerade um ihre finanzielle Existenz bangen, weil sie nicht arbeiten gehen dürfen oder weniger arbeiten müssen. Eltern, die um ihren Job bangen, weil sie nicht wissen, wie sie gleichzeitig ihre Kinder betreuen sollen und den Erwartungen ihres Chefs gerecht werden wollen. Eltern, die ein schlechtes Gewissen haben, weil sie in ihrem Job jetzt einfach gebraucht werden, müde und ausgelaugt sind und kaum etwas von ihren Kindern haben, die nun den ganzen Tag zuhause sind.

Ich könnte nicht garantieren, dass ich so gelassen sein könnte, wäre ich in dieser Situation. Ich bin ganz sicher, dass ich vor wenigen Wochen noch nicht so gelassen und verständnisvoll reagiert hätte, wie heute morgen. In dieser Zeit ist bei mir einiges passiert, das mir hilft. Ich möchte das gerne weiter geben.

Kannst Du Dich für Deine Familie entscheiden?

Wenn Du Unterstützung haben möchtest, gerade jetzt mit all diesen Sorgen und Ängsten, dennoch Dein Kind annehmen zu können, mit all seinen Launen, wenn Du dabei auch selbst gesehen werden möchtest und zurück in Deine Kraft kommen möchtest, dann melde Dich gerne bei mir. Eine Erste Hilfe kann bereits mein E-Mail-Kurs Familienzeit - für mich, für dich, für uns bieten. Bis Sonntag, dem 22.03.2020, kannst Du ihn noch kostenfrei abonnieren.

Wenn Du weitere Unterstützung wünscht, schreib mir gerne eine E-Mail oder kontaktiere mich auf Facebook. Ich schenke Dir ein Erstgespräch.


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