In meinen Kursen, aber auch in Facebook-Gruppen zu Baby- oder Kindergebärden, fragen Mütter immer wieder, wann der passende Zeitpunkt sei, um mit Gebärden zu beginnen. In den meisten Büchern rund um das Thema wird, sinnvoller Weise, statt eines Alters, ein entwicklungstypisches Merkmal angesprochen. Es heißt, sobald das Kind beginnt, seine Hände bewusst zu bewegen (z.B. sobald es anderen Menschen winkt), sei der passende Zeitpunkt, mit Handzeichen zu beginnen.
„Wir gehen PIPI machen.“
Bei meinem jüngsten Neffen, mit dem ich damals in einem Haushalt lebte, begann ich mit Gebärden, als er etwa drei Wochen jung war. Dies lag einfach daran, dass er von Anfang an überwiegend windelfrei aufwuchs und auch ich, als im Haushalt lebende Tante, ganz selbstverständlich mit für seine Ausscheidungen verantwortlich war. Wenn ich das Gefühl hatte, er wolle sich erleichtern, und ihn hoch nahm, dann kündigte ich mein Vorhaben an. Ich sprach mit ihm „Wollen wir Pipi machen gehen?“ und begleitete meine Worte mit der Gebärde für TOILETTE. Auf dem Weg ins Badezimmer wiederholte ich dies - wenngleich es nur wenige Schritte waren. Ich stellte fest: „Wir gehen jetzt Pipi machen“, wobei ich erneut die Gebärde zeigte. Dies fand oft mehrmals täglich statt.
Was bezweckte ich damit?
Mir war bewusst, dass der Junge nicht auf meine Worte antworten würde; jedenfalls nicht mit Worten oder Gebärden. Ein so kleines Baby ist weder kognitiv, noch motorisch in der Lage, eine solche Bewegung auszuführen - vermute ich. Es ist hilfreich, wenn sich Eltern oder andere Bezugspersonen, die mit ihrem Kind ebenfalls derart früh mit Gebärden beginnen wollen, bewusst sind, dass es nicht darum geht, dass ihr Kind die gezeigten Gebärden erwidert.
Allerdings ging ich davon aus (und das tue ich bis heute), dass mein Neffe den Zusammenhang von der Bewegung und der Aktion des Pipi-machens, relativ schnell erkennen würde. Und so war es auch. Bereits nach zwei oder drei Wochen, in denen ich auf Verdacht (mein Neffe bewegte sich zum Beispiel unruhig) und mit Hilfe der Gebärde fragte, ob er Pipi müsse, reagierte er deutlich. Entweder drehte er den Kopf weg, womit er eindeutig Desinteresse an meiner Handbewegung kundtat, oder er sah mich sehr aufmerksam an, wurde mitunter sogar noch lebhafter, sobald ich ihn hochnahm. Es fühlte sich an, als wollte er sagen: „Ja, ich muss Pipi! Bring mich ins Bad!“
Dies war für mich nicht nur ein Beweis dafür, dass schon Babys in ihrem 2. Lebensmonat Zusammenhänge und Gebärden erkennen, sondern auch, dass diese kleinen Lebewesen von Beginn an ihre Ausscheidungsbedürfnisse wahrnehmen und mitteilen können. Doch zu diesem Thema werde ich an anderer Stelle mehr schreiben.
Die unglaublichste Erfahrung, in diesem Kontext, war für mich, als mein Neffe nach dem Stillen auf dem Schoß seiner Mutter saß. Mit einem Mal hob er einen Arm und machte mit der Hand eine drehende Bewegung. Ich war zugleich absolut erstaunt und ungläubig - wie auch meine Schwester. Wir konnten uns beide nicht vorstellen, dass mein Neffe - er war zu diesem Zeitpunkt gerade 3 Monate alt - uns bewusst mit einem Handzeichen sein Bedürfnis mitteilte. Viel eher hielten wir es für einen ersten Versuch, seine Hände und Arme überhaupt neu zu koordinieren. Kurz darauf war die Mullwindel, die wir dem Kleinen sicherheitshalber stets zwischen die Beine legten, nass.
WARTE - die zweite Gebärde
Kurz nach der Gebärde für Pipi führte ich die Gebärde WARTE bei meinem Neffen ein. Dies ist das einzige Zeichen, welches ich abseits einer alltäglichen Handlung und Gesang oder Spiel, mit ihm übte. Zum einen nutzte ich die Gebärde im Alltag. Wenn mein Neffe hungrig wurde, Mama aber nicht umgehend bei ihm sein konnte, zeigte ich ihm WARTE und begleitete dies mit kurzen Worten, wie: „Warte, Mama ist gleich da.“ Eine solche Situation kam allerdings täglich weit seltener vor, als dass ich den Jungen z.B. abhielt. Daher nutzte ich Momente, in denen wir ohnehin spielten. Als Grundvoraussetzung war er wach, zufrieden und aufmerksam. Er lag in seinem Stubenwagen oder auf einer weichen Decke auf dem Boden. Im Spiel zeigte ich irgendwann die Gebärde WARTE und entfernte mich gerade so weit von ihm, dass er mich nicht mehr sehen konnte. Die ersten Male ließ ich ihn nur wenige Sekunden warten. Mir war wichtig, dass ich stets zu ihm zurückkam, bevor er unruhig wurde. Auch bedankte ich mich jedes Mal bei ihm fürs Warten, ehe wir unser Spiel von zuvor fortsetzten. Bereits nach wenigen Tagen dehnte ich die Zeit aus und entfernte mich weiter von ihm, bis ich in der offenen Tür stand. Von dort aus konnte ich ihn beobachten, ohne dass er mich sah.
Der Erfolg dieser spielerischen Übungseinheit stellte sich schnell ein. Es ist unglaublich erleichternd, wenn auch ein hungriges Baby, von drei oder vier Monaten, ein paar Minuten warten kann, bis Mama da oder das Fläschchen passend temperiert ist. In diesem Alter spreche ich wirklich nur von wenigen - höchstens fünf - Minuten. Das mag kurz erscheinen, doch jeder, der schon einmal ein hungriges, schreiendes Baby auf dem Arm hielt und es nicht umgehend füttern konnte, wird bestätigen, dass sich fünf Minuten in einer solchen Situation wie eine Ewigkeit anfühlen. Umso älter das Kind wird, umso länger wird auch die Zeitspanne der Geduld.
Weitere Gebärden für die allererste Zeit
Bei meinem Neffen blieb es eine ganze Weile bei diesen beiden Gebärden, ehe ich weitere einführte. Das lag vor allem daran, dass ich in die anderen alltäglichen Situationen nicht involviert war. Meine Schwester stillte ihren Sohn, so dass ich ihn nicht fütterte. Eine Gebärde für STILLEN, MILCH oder TRINKEN brauchte ich bei ihm erst viel später.
Wenn der Junge einmal bei mir einschlief, dann im Tragetuch mit Gesang - und das kam auch so selten vor, dass sich die Einführung der Gebärde SCHLAFEN in dieser ersten Zeit nicht ergab.
Wenn ich in wenigen Monaten mein eigenes Baby in den Armen halte, wird das anders sein. Mit ihm werde ich die Gebärde SCHLAFEN selbstverständlich nutzen, bevor wir schlafen gehen.
Ebenso werde ich es mit der Gebärde für STILLEN halten, bevor ich es an meine Brust lege. Bei Kindern, die mit der Flasche gefüttert werden, würde ich an der Stelle die Gebärde TRINKEN bevorzugen. Diese zeigt bereits die Bewegung, die mit der Flasche ausgeführt wird und kann vor allem mit einer Hand gezeigt werden, während für die Gebärde MILCH idealerweise beide Hände gebraucht werden.
Die passende Situation
Es gibt Momente, in denen Gebärden nicht weiter helfen - unabhängig vom Alter des Babys oder Kindes. Wenn ein Baby müde oder gar übermüdet ist, ist es nicht mehr aufnahmefähig für Handzeichen. Ebenso ist es, wenn das Baby aus anderen Gründen schreit. Ein schreiendes Baby kann nicht mehr warten. Es möchte sein Bedürfnis befriedigt bekommen. Jetzt!
Wenn das nicht umgehend möglich ist, helfen höchstens Nähe, gedämpftes Licht, eine beruhigende Stimme oder ruhiger Gesang - doch keine Gebärden. Diese unterstützen in diesem jungen Alter nur, wenn sie beiden - Kind und Bezugsperson - Freude bereiten.
Wer wirklich von Anfang an, also bereits in den ersten Lebenswochen, mit seinem Baby Gebärden nutzen möchte, sollte bedenken, dass die Augen in dieser Zeit noch nicht sehr weit scharf sehen können. Es ist hilfreich, wenn die gebärdende Hand sich etwa 20 bis 30 Zentimeter vor dem Gesicht des Säuglings befindet und dieses darauf schaut. Zudem ist es sinnvoll, wenn das Baby wach, zufrieden und aufnahmebereit ist - insbesondere, wenn neue Gebärden eingeführt werden.
Sonja
Update vom 03.05.2018:
Mamajabo (Sonntag, 23 Dezember 2018 11:45)
Hi
Ich fand das Video toll.
Ich halte meinen Sohn seit seiner Geburt ab und es funktioniert super. Mittlerweile ist er 10 Wochen alt und meldet sich auch nachts zum Ausscheiden.
Ich suche gerade nach einer Gebärde, um die Kommunikation noch zu unterstützen und es für ihn zu erleichtern und werde daher mit er Gebärde für Toilette noch heute beginnen. Ich bin schon sehr gespannt wie er wohl reagiert.